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Depersonalisation und Therapie: Einblicke in DPDR

Depersonalisation-Derealisationsstörung (DPDR) betrifft 1% der Bevölkerung und bleibt oft unerkannt. Wir sprechen über ihre unsichtbaren Symptome, diagnostische Herausforderungen und die Rolle von Psychotherapie, einschließlich effektiver Techniken und Psychoedukation. Eine Fallstudie zeigt den Weg eines Patienten von der Wahrnehmungsveränderung bis hin zur Genesung. Wir besprechen heute den Artikel Michal Matthias. Die Depersonalisations-Derealisationsstörung. PSYCH up2date 2024; 18: 341–356

Published OnApril 2, 2025
Chapter 1

Depersonalisations-Derealisationsstörung verstehen

Vanessa Müller

Lass uns heute über ein wirklich faszinierendes und wenig bekanntes psychisches Phänomen sprechen—die Depersonalisations-Derealisationsstörung, oder kurz DPDR. Glaubst du, Michael, dass viele Menschen wissen, was das ist?

Michael Schneider

Ich würde sagen, eher nicht. Es ist ja so eine "unsichtbare" Störung, die oft übersehen wird, sowohl von Betroffenen als auch von Fachleuten. Was meinst du genau, wenn du sagst, es sei faszinierend?

Vanessa Müller

Ich meine, stell dir mal vor, dass du dich die meiste Zeit deines Lebens wie in einem Traum fühlst. Oder dass deine eigene Stimme dir fremd vorkommt, als ob sie gar nicht deine wäre. Bei DPDR erleben die Betroffenen eine Art emotionale Abtrennung von sich selbst und ihrer Umwelt. Alles fühlt sich irgendwie unwirklich an. Das klingt doch irgendwie... surreal, oder?

Michael Schneider

Absolut. Es ist, als ob man von sich selbst und der Welt durch eine unsichtbare Glaswand getrennt wäre. Und das ist auch der Kern der Störung: Diese permanente oder wiederkehrende Entfremdung vom eigenen Körper und der Umgebung.

Vanessa Müller

Ja, das trifft es gut! Und was viele nicht wissen: DPDR ist gar nicht so selten. Schätzungsweise ein Prozent der Allgemeinbevölkerung erlebt diese Symptome chronisch, aber es wird nur selten diagnostiziert. Kommt dir das bekannt vor, dass solche versteckten Leiden oft übersehen werden?

Michael Schneider

Ja, oft. Und genau das ist die Tragik dabei. Die Symptome sind so subtil, dass sie häufig nicht mal vom Patienten selbst klar beschrieben werden können. Statt offensichtlicher Verhaltensänderungen geht es hier um etwas, das tief im Erleben liegt. Es wird dann manchmal als "unaussprechlich" wahrgenommen.

Vanessa Müller

Und da wären wir beim nächsten Punkt: Ein Beispiel. Fallgeschichten verdeutlichen das immer so schön.

Michael Schneider

Ja, genau. Einer der bekanntesten Fälle beschreibt einen Mann, der sich selbst wie einen Fremden erlebt hat. Er hatte das Gefühl, seine Stimme gehöre nicht ihm, und alles um ihn herum wirkte wie eine Filmkulisse—zweidimensional, ohne Leben.

Vanessa Müller

Das klingt so belastend. Aber ich finde es auch bewundernswert, wie manche Patienten trotz dieser Symptome Wege finden, wieder Bodenhaftung zu gewinnen. Wir reden hier ja oft von kleinen aber wichtigen Schritten. Zum Beispiel, erst mal zu verstehen, dass die Symptome existieren und kein Ausdruck von "verrückt sein" sind.

Michael Schneider

Richtig. Aufklärung ist so wichtig. Und der Weg zur Genesung beginnt oft damit, die Symptome richtig zu deuten. Aber du siehst schon—die DPDR ist unglaublich facettenreich und oft eine immense Herausforderung, sowohl für Betroffene als auch für Therapeuten.

Vanessa Müller

Definitiv. Aber ich finde, es lohnt sich, darüber mehr Bewusstsein zu schaffen.
Chapter 2

Diagnostische Herausforderungen bei DPDR

Vanessa Müller

Nachdem wir gerade über die Wichtigkeit von Bewusstsein gesprochen haben, denke ich, eine der größten Herausforderungen bei DPDR ist die Diagnose selbst, oder? Es gibt da eine Menge Grenzen und Bereiche, die verschwimmen. Michael, hast du Beispiele?

Michael Schneider

Oh, definitiv. Das Hauptproblem ist die Ähnlichkeit der Symptome mit denen anderer psychischer Störungen—zum Beispiel mit posttraumatischen Belastungsstörungen oder auch Angststörungen. Diese Überlappung macht es oft schwer, DPDR klar abzugrenzen.

Vanessa Müller

Ah, verstehe. Und dann gibt es ja auch noch die Herausforderung, dass keine offensichtlichen Verhaltensänderungen sichtbar sind, richtig?

Michael Schneider

Exakt. Bei DPDR sind die Symptome mehr... ja, unsichtbar. Es fehlt an äußeren Hinweisen. Stattdessen geht es um die innere Erfahrung der Betroffenen, die schwer in Worte zu fassen ist. Viele sagen, es sei „unaussprechlich“. Und das macht auch die Diagnostik so verdammt schwierig.

Vanessa Müller

Das erinnert mich irgendwie an botanische Studien. Du suchst nach einer bestimmten Pflanze, aber sie versteckt sich inmitten vieler ähnlicher Arten. Wenn du nicht genau weißt, wonach du suchst, übersehen selbst Experten sie manchmal.

Michael Schneider

Das ist eine brillante Analogie! Genau so ist es. Und bei DPDR müssen Therapeuten oft tief graben. Manchmal dauert es, bis man die spezifischen Kriterien erkennt, wie sie zum Beispiel im ICD-11 beschrieben sind.

Vanessa Müller

Die berühmte „Glaswand“ ist hier ja ein Kernmerkmal, habe ich das richtig im Kopf?

Michael Schneider

Ganz genau. Das Gefühl, abgetrennt zu sein, sei es vom eigenen Selbst oder von der Umwelt. Aber hier ist der Knackpunkt: Für die Diagnose braucht es oft lange Zeiträume. Es reicht nicht, wenn die Symptome nur mal kurz auftreten. Sie müssen die meisten Tage über Monate hinweg da sein.

Vanessa Müller

Und das klingt dann ja fast schon nach Detektivarbeit!

Michael Schneider

Ist es auch, absolut. Und wie bei jedem guten Detektivfall besteht das Risiko eines Fehlers oder einer Fehlinterpretation. DPDR wird oft fälschlicherweise anderen Diagnosen zugeordnet, weil die Symptome so vielfältig sein können.

Vanessa Müller

Okay, also eine Art psychologisches Chamäleon. Das macht die Klarheit in der Diagnostik umso wichtiger. Aber vielleicht ist es auch eine Frage der Sensibilisierung—mehr Therapeuten über diese Störung aufzuklären?

Michael Schneider

Unbedingt. Viele Behandler kennen die DPDR zwar dem Namen nach, aber haben selten praktische Erfahrung damit. Für Patienten ist das sehr frustrierend und invalidierend.

Vanessa Müller

Ja, kann ich mir gut vorstellen. Und es zeigt auch, wie wichtig es ist, die Betroffenen zu ermutigen, ihre Erfahrungen so konkret wie möglich zu beschreiben, auch wenn das nicht leicht ist.

Michael Schneider

Richtig. Dazu gehört auch, dass Therapeuten aktiv zuhören und gezielt nachfragen, um diese schwer greifbaren Symptome zu verstehen.
Chapter 3

Wirksame Therapien und die Rolle der Psychotherapie

Vanessa Müller

Michael, dann lass uns mal weitergehen—wie sieht es mit der Behandlung aus? Welche therapeutischen Ansätze erweisen sich denn als besonders wirksam?

Michael Schneider

Also, was wirklich interessant ist, ist die zentrale Rolle der Psychotherapie bei DPDR. Zwei Hauptansätze stehen dabei im Fokus: die psychodynamische Therapie und die kognitive Verhaltenstherapie. Beide haben ihre Stärken, je nachdem, wie individuell auf die Probleme der Betroffenen eingegangen wird.

Vanessa Müller

Oh, ich liebe es, wie vielseitig das klingt. Kannst du ein paar Beispiele geben? Ich meine, was wird da praktisch gemacht, um den Leuten zu helfen?

Michael Schneider

Na klar! In der kognitiven Verhaltenstherapie liegt der Fokus auf konkreten Techniken wie Achtsamkeit und Erdung. Ein Ziel ist es, das katastrophisierende Denken zu durchbrechen. Viele Betroffene denken ja, sie würden „verrückt werden“. Solche Denkweisen werden hinterfragt und umstrukturiert.

Vanessa Müller

Also quasi ein bisschen wie, naja, die inneren Alarme deaktivieren. Und bei der psychodynamischen Therapie?

Michael Schneider

Da geht es mehr darum, die zugrunde liegenden Gefühle und Konflikte aufzudecken, die oft von den Symptomen ferngehalten werden. Es ist fast wie eine emotionale Detektivarbeit—woher kommt die Angst, und warum entwickelt sich diese Abtrennung?

Vanessa Müller

Das klingt echt intensiv. Aber ich würde wetten, dass das für viele auch sehr befreiend sein kann. Was ist mit der Rolle der Psychoedukation? Ich kann mir vorstellen, dass es unglaublich hilft, wenn Patienten erstmal verstehen, was mit ihnen los ist.

Michael Schneider

Ganz genau. Psychoedukation ist oft der erste Schritt. Wenn Patienten begreifen, dass DPDR ein Mechanismus ist, um mit überwältigenden Gefühlen klarzukommen—und keinesfalls ein Zeichen von Geisteskrankheit—dann reduziert das schon mal die Angst.

Vanessa Müller

Und es fördert vermutlich auch die Akzeptanz, oder? Ich meine, viele kämpfen doch wahrscheinlich gegen dieses Gefühl der Unwirklichkeit an. Aber vielleicht hilft es mehr, das einfach mal anzunehmen?

Michael Schneider

Ja, absolut. Das ist ein Teil dessen, was bei Achtsamkeitsübungen geschieht. Sich erlauben, im Moment zu sein und die Symptome nicht ständig zu bewerten. Aber, fairerweise muss man sagen, dass genau das oft schmerzhaft ist. Deshalb ist ein guter Therapeut so wichtig, der den sicheren Raum dafür schafft.

Vanessa Müller

Und jetzt mal ehrlich—die pharmazeutischen Möglichkeiten sind ja ziemlich begrenzt, oder?

Michael Schneider

Richtig erkannt. Es gibt keine Medikamente, die speziell gegen DPDR zugelassen sind. Manche Therapien mit Antidepressiva oder Benzodiazepinen können zwar kurzfristig helfen, aber die eigentliche Arbeit wird durch die Psychotherapie geleistet. Das ist der Grundpfeiler der Behandlung.

Vanessa Müller

Okay, also Therapie first, Medikamente, wenn überhaupt, dann nur unterstützend. Das ist eine wichtige Message. Ich finde, das zeigt auch, wie viel Hoffnung durch die richtige Therapie geschürt werden kann. Es ist möglich, einen Weg zurück zum realen Empfinden zu finden.

Michael Schneider

Ja, genau. Und der Weg ist oft lang, aber definitiv machbar. Es geht darum, Schritt für Schritt die Verbindung zu sich selbst und zur Welt wiederherzustellen—und manchmal bedeutet das auch, neugierig und geduldig zu bleiben.

Vanessa Müller

Danke, Michael, für deine Einsichten. Ich finde, das war ein wirklich inspirierendes Gespräch heute.

Michael Schneider

Absolut, Vanessa. Es hat Spaß gemacht, darüber zu reden—und hoffentlich konnten wir einigen Zuhörern ein bisschen Klarheit oder sogar Hoffnung geben.

Vanessa Müller

Definitiv. Und das war’s für heute. Vielen Dank an alle, die zugehört haben, und bis zum nächsten Mal!

About the podcast

Fortbildungen für Psychotherapeuten - wir reden darüber! Jeden Donnerstag eine neue Folge mit News aus der Forschung und Psychotherapie.

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